Titel:Archiv

Kombirama ist öffentlich!

Alles wird privat. - Längst ist jeder Rest von öffentlichem, nur rudimentär definiertem oder eher zufällig strukturiertem Raum getilgt. Jede Ecke ist mit Zeichen vollgestopft, welche auf die an dieser Stelle potentiell möglichen Erfahrungen hinweisen: "Aha, stille, ruhige Ecke zum ausruhen", könnte die gestresste Mutter, welche ihrem einkaufstaschenbehangenen Boogie über die Kunstpflästerung steuert, etwa angesichts der kleinen pergolaähnlich gestylten Sitzinsel in der Fussgängerzone ausrufen; oder "Aha, angeregte, lebendige Zone zum kommunizieren und um andere Menschen kennen zu lernen", wird sich der junge, dynamische höhere Dienstleistungsangestellte der eben gerade befördert wurde und jetzt frühzeitig Feierabend macht, beim Anblick der weissen Plastikgartenmöbel vor der Erlebnisgastronomiekette-Filiale ausrufen. "Aha, würdiger, repräsentativer Rahmen, um echte Kultur zu geniessen" sagt sich wohl der um solide bürgerliche Bildung und liberales Gedankengut bemühte Städtereisende, beim Betreten der neu designeten Museumsanlage und "Aha, schmudlige Ecke, um endlich mal die Sau raus zu lassen" der frustrierte, schlecht bezahlte und immer noch an das Prinzip der Autorität glaubende tiefere Angestellte, wenn er mit seinem noch in Raten abzubezahlenden BMW auf den Strassen des Rotlichtviertels herumkreist.

Gesellschaftliche Erscheinungen werden nur noch über den Umweg von Marketing und Design wahrgenommen. Öffentlichkeit ist ein statistischer Wert, je nach Umfrage-Motivation breit oder segmentiert, gross oder klein. Andere Ideen sind kaum mehr auszumachen. Menschen, als Zielgruppen erfasst, stellen eine ganze Reihe von neuen Ethnien und Geschlechtern dar, Menschen mit höherer oder tieferer Kaufkraft, A-, B- und C-Menschen, White und Blue Collars. Ihre Merkmale ergeben sich aus einer Mischung von wirtschaftlicher Potenz, politischer Opportunität und dem für die Konstruktion des jeweiligen Subjekts eingesetzten Style. Die Privatisierungswelle macht auch vor dem Kulturbegriff nicht halt. Mainstream-Kultur wird längst unter der Regie von Grossinvestoren produziert. Die einzelnen KünstlerInnen begreifen sich als originäres Label noch bevor sie sich mit ihrer eigenen kulturellen Situation überhaupt auseinandergesetzt haben und unabhängige Initiativen werden von allen möglichen Trendsuchern und Vermittlern zur Steigerung des eigenen Marktwertes vereinnahmt. - Kombirama ist öffentlich.
zurück


News, Projekte, Agenda, Intranet, Archiv, Kontakt